gleichmütig garteln und leben

Schnirkelschnecke

Schnirkelschnecken haben ein Schneckenhaus. Schnirkelschnecken sind langsam. So wie ich.

Rückzug

  • Für meine innere Balance habe ich schon immer Schneckenhauszeiten gebraucht. Gleichzeitig haben bis zu meiner Erkrankung recht viele Menschen zu meinem Leben gehört. Und auch, wenn es oft zeitlich begrenzt auf Basis von Interessensschwerpunkten war, sind es intensive Kontakte gewesen. Nicht wenige der Menschen haben noch immer einen Platz in meinem Herzen (und manchmal schaue ich im Netz, was sie jetzt so machen).
  • Soziale Kontakte bedeuten für mich Inspiration, Freude, Wärme, Zugehörigkeit... und mit ME/CFS auch: Einen hohen Energieeinsatz mit anschließenden Überlastungsreaktionen.
  • Und weil im Vorfeld nie klar ist, ob ich eine Verabredung werde einhalten können (weil der Akku zu leer ist oder andere ME-Symptome zu stark sind) oder wie lange meine Kraft reicht für ein Treffen, fehlt es an Zuverlässigkeit. Das macht aus ME/CFS auch ein soziales Problem.
  • Abgesehen von den nicht selten auch kurzfristigen Absagen, gab es Zeiten/Situationen, in denen ich so überfordert war, dass ich mich heftig von Menschen, die mir nah sind, abgegrenzt, ihnen weh getan habe. Und mir damit natürlich auch.
  • Dass ich mich beinahe komplett von allen zurückgezogen habe (in die Vermeidung gegangen bin, sagt die innere Psychotante), ist mir erst Anfang 2024 "so richtig" bewusst geworden und auch, wie traurig ich darüber bin.
  • Und nun?
    Zu meinem großen Glück gibt es gar nicht so weit weg von meinem Schnirkelschneckenhaus Menschen, denen ich mich verbunden fühle. Menschen mit freundichen Augen und offenen Armen. Hin und wieder ein bisschen gemeinsam rumkriechen - eine Nachricht hier, ein paar Sätze da und vielleicht auch mal ein kurzes Treffen - ich muss mich nur trauen, mich anderen "so" zuzumuten.
    An diesem Hebel sitze ich :)

Langsamkeit

  • Äußerlich langsam war ich vor ME/CFS vorrangig bei Tätigkeiten, auf die ich keine Lust hatte - hab ich etwas gern gemacht, war ich in aller Regel im Hasenmodus.
  • Mit ME/CFS fühle ich mich bei allem, was ich tue, langsam. Auch beim Denken, was ich ebenso schwierig finde, wie in der Öffentlichkeit zu schleichen...
  • Das Programm, als fit/vital/leistungsfähig wahrgenommen werden zu wollen, ist noch immer aktiv in mir. Bin ich im Autopilot, marschiere ich in der Gartenanlage flott an den Nachbargärten vorbei und husche durch mein Gartentor als hätte ich es eilig (dabei ist es eher ein in Sicherheit bringen...).
  • Gehe ich bewusst (und selbstbewusst) zu meinen Garten und passe die Geschwindigkeit an meine Verfasstheit an, bin ich deutlich langsamer. Gehe innerlich neben mir her, anstatt vor(weg)zulaufen. Spüre den Boden unter meinen Füßen. Nehme meinen Atem wahr. Sehe das Drumherum. Bleibe vielleicht kurz stehen für ein unverbindliches Schwätzchen.
  • Komme ich nach ein paar Minuten an meinem Garten an, lösen die ersten Blicke jedes Mal aufs Neue Freude, Staunen und Dankbarkeit aus. Ich mache das Gartentörchen auf und schreite in mein Reich :-)
  • Abgesehen davon, dass äußere Langsamkeit gut ist für meinen Energiehaushalt: Sie weitet meine Innenzeit. Schafft Raum zum Wahrnehmen. Schnirkelschneckentempo passt zu mir.
Diese Schnirkelschnecke hat
mein Sohn für mich gemacht :)
  • Jetzt muss ich nur noch aufhören, zu vergessen, dass es Menschen gibt, die kein Problem haben mit meinem Schnirkelschnecken-Dasein...